Sonntag, 30. Oktober 2011

Geduld, Gelassenheit und eine Portion Humor

Immer wieder erleben wir mit unserer deutschen Mentalität Frust: wir sind es gewohnt, dass Dinge zeitlich planbar, effektiv umsetzbar, Materialien verfügbar und andere Institutionen zuverlässig sind.
Unsere Autosuche ist ein gutes Beispiel dessen, dass wir hier jedoch lernen müssen, uns in  einem ganz anderen Kontext zurechtzufinden. Ganze 7 Tage fuhr Dieufort jeweils in die Hauptstadt, um die im Internet oder durch Mittelsmänner angepriesenen Autos anzusehen. Dreimal davon war das besagte Auto dann gar nicht da, zweimal handelte es sich um einen überhöhten Preis oder ein ungeeignetes Fahrzeug für die Bautruppe. Einmal war er erfolgreich, er tätigte eine Anzahlung, damit der Verkäufer den Papierkram erledigt und der Verkauf besiegelt sei. Doch bei der geplanten Abholung war kein Auto mehr da: bereits an jemand anderen verkauft. Mitgeteilt wurde ihm dies natürlich erst direkt vor Ort. Solche Dinge halten sehr auf, rauben unglaublich viel Zeit und frusten, da wir die kostspieligen Fahrten hätten sparen können, wären die Aussagen der Verkäufer wahrheitsgetreu und zuverlässig gewesen.
Auch in näher gelegenen Städten waren wir auf Autosuche, doch leider bekommt man häufig Fahrzeuge angeboten, die eine größere Reparatur nötig hätten, um dann erst einsatzfähig zu sein.
Nun haben wir wiederum eines per Zusage und wir hoffen nächste Woche die Papiere zu bekommen, um es definitiv zu kaufen... man wird sehen.

Mich beeindruckt da die Gelassenheit der Haitianer! Sie sind durch diesen Lebenskontext wahre Künstler bezüglich Improvisationen und Flexibilität. Man nimmt so manches mit Humor, da es sich nicht lohnt sich darüber zu ärgern. Langfristige Planungen müssen häufig wieder neu angepasst werden, doch bei spontanen Aktivitäten sind sofort viele helfenden Hände mit vollem Einsatz da, die ganz unkompliziert gemeinsam anpacken und etwas Gelungenes kreieren.
Für mich ist sehr offensichtlich, dass sich Kultur anhand von gegebenen Umständen individuell und hochspezialisiert entwickelt. Unsere deutschen Strukturen an Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Effizienz, mit dem Hang zu immer neuen Optimierungen, sind lediglich Ausdruck unserer äußeren Sicherheit und Funktionstüchtigkeit von staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen. 
So entwickelt jeder in seinem Lebensraum eine spezialisierte Lebensfähigkeit
- und wir lernen nun eine dicke Portion Geduld, Gelassenheit dazu! So manches werden wir zukünftig ganz haitianisch mit Humor nehmen, anstatt uns zu ärgern - reine Seelenhygiene  :-)

Freitag, 21. Oktober 2011

Schulbeginn


Idiani in Schuluniform

Die erste Schulwoche ist gut verlaufen. Wir müssen ein wenig nacharbeiten, doch dem französischen Unterricht an sich, kann Idiani ohne Probleme folgen. Am liebsten liest sie in dem haitianischen Geschichtsbuch.
Idianis Klasse umfasst 15 Schüler, was ein besonderes Privileg ist. Es handelt sich eben um eine gehobenere und somit auch teurere Schule, die sich nicht jedermann leisten kann. Von 8:00 bis 14:30 wird unterrichtet, für nachmittags gibt es noch zusätzliche Hausaufgaben.
Leider sind die Toiletten häufig in grauseligem Zustand und die proklamierte französische Pädagogik wird leider mit haitianischen Bräuchen vermischt: manche Lehrerinnen schlagen die Kinder mit einem Stock auf die Hand. Dh. wir hatten bereits ein erstes ernstes Gespräch mit der Direktorin :-)
Grundlegend sind wir sehr froh darüber, überhaupt eine Schule in Gonaives gefunden zu haben, die europäischen Standard nachweist. In diesem Sinne kehrt bei uns nun ein Alltagsrhythmus ein, was der gesamten Familie gut tut.


Samstag, 15. Oktober 2011

Einblick in unseren Alltag

Nun sind wir schon 10 Tage in Haiti und wir möchten Euch bisschen Einblick in das gewähren, was für uns bereits Alltag geworden ist:

- Die Hähne krähen ca. ab 4 Uhr, so steht man dann selbst auch spätestens um 6, halb 7 wirklich auf.
- Idiani fegt morgens ums Haus und den Weg zum Haus, denn die vielen Bäume verlieren viele viele Blätter.
- Die Hausfrau wischt zeitgleich erstmal den Boden, da es in Gonaives recht staubig ist
- zum Frühstück gibt es häufig creolische Spaghetti, wobei wir bisher meist europäische Cornflakes essen und uns teure Milch gönnen (2EUR pro Beutel).
- Idianis Schule wird um 8 Uhr beginnen und unser Fahrer wird sie täglich dort hin bringen, da der Fußweg zu weit wäre und die andren Kinder mit dem Taptap  (Bus) haitianische Schulen besuchen.
- Man duscht mindestens 3x täglich. Jeweils mit eiskaltem Wasser, was früh morgens und spät abends einige Quietchetöne aus dem Badezimmer entlockt
- Da von Hand gewaschen wird, wechselt man jedoch nicht nach jedem Duschen die Klamotten. Lediglich verschwitzes, wird sogleich rausgewaschen und die wirklich dreckige Wäsche, wäscht unsere liebe Waschfrau Violette 2x wöchentlich. Dies ist ein ganz anderer Umgang mit Kleidung und Dreckwäsche, als wenn man einfach die Maschine anschmeißen kann.
- Frisch gekauftes Obst wird jeweils mit Chlorox abgewaschen und damit desinfiziert, auch ins Spülwasser werden jeweils ein paar Tropfen gegeben. Dank der guten Hygiene unserer Köchin, die uns 3x die Woche verwöhnt, geht es unseren Mägen sehr gut.
- Nachmittags wird je nach Bedarf nochmal komplett nass durchgeputzt, da es bereits wieder staubig ist.
-Gegen 18:00 wird es dunkel und die Moskitos werden aktiv, so sammelt man sich eher im Haus, isst und duscht und die Kinder gehen gegen halb 8 zu Bett. Zähneputzen jeweils unbedingt nur mit Trinkwasser, da unser Hahnenwasser dem Grundwasser entspringt und es leider in Gonaives immer noch Cholerafälle gibt. Wir selbst fallen spätestens um 10 auch in die Federn (bzw. aufs leichte Leinenlaken), da man ja bereits sehr früh aufgestanden ist und einen arbeitsreichen Tag hinter sich hat.
- Geschlafen wird unter Moskitonetzen, die wir unter der Matratze klemmen, da die Viecher sogar von unten reinfliegen können.

Es ist somit ein wesentlich aufwendigerer Haushaltsalltag und wir freuen uns jetzt schon auf unsere Campingwaschmaschine, die sich in unserem Kontainer auf einem Boot befindet.

Zugleich ist es sehr schön zu beobachten, wir hier während der vielen Arbeiten Gemeinschaft gelebt wird: Wäschewaschen ist immer ein lustiges Beisammensein und da alle zur gleichen Zeit verschiedene Orte fegen, winkt man sich bereits einen Morgengruß zu.

Und mal ehrlich. vor 2 Generationen sah es in Deutschland auch nicht allzu viel anders aus - Ausnahme ist und war sicherlich die Hitze und das häufige Duschen, aber alles andere kennen unsere Großeltern sicher auch noch.

Leckerbissen sind hier auch alltäglich:
Eis wird selbst gemacht: super lecker mit frischem Fruchtsaft und Milch: eine Wonne! Selbstgekochte Marmelade zum Frühstück und jeden Mittag frisch gepresste Früchte versüßen den arbeitsintensiven Alltag. 
Der Bioabfall wird den Hasen bzw. den Hunden gefüttert, was unsere Kinder natürlich liebend gerne übernehmen. An alle Mütter: Ums Müll rausbringen wird sich aktuell bei uns fast schon gestritten :-)

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Der erste Mauerstein

Heute wurde der erste Mauerstein gelegt ... ok, noch nicht von einem Haus, sondern von unserer neuen Küchenzeile.  Die 15 Jahre alten Pressspanplatten hatten sich in ihre Einzelteile zerlegt und so manchem ungewollten Mitbewohner Zuflucht gewährt. So haben wir entschieden eine neue Küchenzeile zu mauern, was den haitianischen Gepflogenheiten und Kochgewohnheiten am ehesten entspricht.

Die HABITAT-HT Leitung, bestehend aus Dieufort (Dipl.Bauingenieur, Zimmermann), Guirlo (haitian. Architekt) und Frantz (haitian. Schreiner), nahmen zudem die ersten Planungen der anstehenden Bauaufträge auf, u.a. soll ein Kinderheim in Gonaives errichtet bzw. fertiggestellt werden.

Montag, 10. Oktober 2011

Familiengeschichtchen

Wir haben eine freudiges Familienereignis zu feiern: Charline geht hier in Haiti regelmäßig auf die Toilette, um ihre Geschäftchen zu verrichten. Irgendwie scheint dies ein ansteckendes Phänomen zu sein: als damals ihre Tante mit 2 Jahren nach Haiti ausreiste, wurde ihr erklärt, dass nun nur noch ein paar wenige Windeln bleiben würden und als diese aufgebraucht waren, war die kleine Lisa schlagartig sauber.
Juhuu.

Eine persönliche Herausforderung war für mich heute unser Mittagessen: ich habe meinen ersten Fisch ausgommen und entschuppt. Einen wunderschönen, mehrfarbig gemusterten Fisch. Als ehemals Vegetarier fiel mir das nicht leicht, aber wer hier Fisch essen will, der muss ihn auch als diesen zubereiten: Fischstäbchen oder sonstige Filetmischungen gibt es hier nicht. Man ist sich somit bewusster, was da auf dem Teller liegt :-) Hm, lecker wars!

Dieufort ist nach Port-au-Prince losgezogen, um einen Kühlschrank zu besorgen (was sind wir froh über das Vorrecht Strom zu haben!). Leider ist es mit der Dezentralisierung nicht weit her, so muss man für größere bzw. besondere Anschaffungen meist in die Hauptstadt fahren.

Samstag, 8. Oktober 2011

Es regnet, es regnet, Haiti wird nass

Wir sind mitten in der Regenzeit und es ist daher eigentlich logisch, dass es eben regnet, doch auf mich wirkt es sehr besonders. Zuvor hatte ich auf Haiti noch nie einen ganzen Regentag erlebt: es wird etwas frischer, aber nicht wirklich kühl, die Kinder bleiben alle draußen und genießen es offensichtlich.Wenn ich da an deutsches Herbstwetter denke und an die Heizungen, die nun angeschmissen werden, dann bin ich doch froh über meinen Ventilator neben mir, den ich zwar um 2 Stufen runter gedreht habe, ihn aber dennoch gerne in Anspruch nehme.

Heute morgen lief ich durch unser Haus und wünschte mir andere Vorhänge dran (das Blumenmuster ist nicht so ganz mein Ding). Im weiteren Tagesverlauf begegnete ich 3 Frauen, deren Säuglinge nicht altersgemäß entwickelt sind und die zugefüttert werden müssten, da die Mütter nicht genügend Milch haben, oder die Babys schlecht trinken (ein negativer Kreislauf). Alle 3 haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, Milchpulver zu kaufen. Eine 600 ml Dose Säuglingsmilch kostet umgerechnet knappe 10 EUR. So kehre ich abends nach Hause, betrachte die Vorhänge und finde sie gleich auf Anhieb schöner. Der Stoff für solch Banalitäten wird ein Kind für einen Monat sättigen und seine Entwickling hoffentlich anhaltend beeinflussen.

Die Prioritäten verschieben sich eben in einem Land wie Haiti... und eines Tages kehren wir ver-rückt zurück nach Deutschland :-)

Freitag, 7. Oktober 2011

Byenveni nan Ayiti

Nach einer langen Reise sind wir gestern müde, aber glücklich hier in unserem neuen Zu Hause angekommen. Nun realisiert sich ein lang vorbereiteter und bereits ersehnter Abschnitt: HABITAT-HT vor Ort voranzutreiben.
Dies beinhaltet zugleich für uns als Familie in einem zunächst fremden Land (zumindest für uns 3 Mädels) anzukommen, sich einzufinden und schließlich heimisch zu werden.
Wir wurden hier im Kinderdorf der "mission de vie" liebevoll empfangen und unsere 2 Mädchen (Idiani (7) und Charline (2)) haben, wie erwartet, sofort Freundschaft mit den Nachbarskindern, sowie Hunden und Hasen geschlossen. Der erste Schweiß ist ebenso vergossen und ich befürchte, dieser wird noch in unzähligen Mengen fließen. Die ersten Tage werden wir weiterhin mit auspacken beschäftigt sein und Dieufort widmet sich einigen Reparaturen in unserem Haus wie beispielsweise Abflüsse, Duschkopf, Fliegengitter usw.

Nun ist es inzwischen schon wieder Abend auf Haiti und an meinem Fenster krabbeln 3 süße Geckos, besondere Freunde meinerseits, denn sie fressen Spinnen, Moskitos und andere kleinere Tierchen.

Zur allgemeinen Info: wir haben zu Deutschland einen Zeitunterschied von 6 Stunden, dh.  wenn nun bei uns die Sonne untergeht (es ist es 18:00), dann ist es bei Euch bereits 1:00 nachts.

In diesem Sinne eine geruhsame Nacht an alle interessierten Blogleser.
Ganz liebe Grüße von uns allen Vieren aus Haiti