Dienstag, 24. September 2013

Hilfe nach einem Hausbrand



Im April 2012 wurde Dieulony Doliscat nachmittags um 15:00 von einem aufgeregten Nachbarn angerufen: 

“Dein Haus brennt lichterloh!”

So schnell er konnte, erklomm er den Berg Bienac, konnte jedoch nur noch tatenlos zusehen, wie das Hab und Gut seiner Familie in den Flammen verbrannte. Ein Doppelbett, ein Schrank, ein kleiner Tisch mit Stuehlen, Kleidung, Schulbuecher der Kinder, Kuechenutensilien und kleinere Habseligkeiten. Die Dachbalken, die Holztueren, alles vom Feuer verschlungen. Es gibt dort oben noch nicht mal einen Brunnen, Wasser ist Mangelware und muss in Regentonnen eingekauft werden. Eine Feuerwehr existiert in ganz Gonaives nicht. Gluecklicherweise wurde niemand verletzt. Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt mit der Mutter auf dem Markt, der Vater einige Strassen entfernt am Blogsteine formen. 

Dieulony ist 37 Jahre alt und Vater dreier suesser Jungs im Alter von 11, 7 und 4 Jahren. Die juengere Schwester der Mutter lebt mit ihren 12 Jahren ebenso bei ihnen und wird wie ein eigenes Maedchen versorgt. Dieulony selbst hat die Schule nur bis zur 6. Klasse besuchen koennen, so legt er besonderen Wert auf die Schulbildung seiner Kinder. Er weiss, dass er ihnen ausser einer Bildung nichts zu bieten hat. Nach dem Brand konnte er die Schulgebuehren nicht zahlen und die Schulbuecher nicht ersetzen. 

Obwohl das Grundstueck noch nicht komplett abbezahlt ist, hatten sie begonnen ein neues Fundament fuer weitere 2 Zimmer zu legen. Darauf hat Habitat-HT nun die 2 Zimmer aufgebaut, deren Blogs Dieulony selbst mithergestellt hat. 
Sie sind von Herzen dankbar und schoepfen neu Mut in dem neuen sicheren Haeusschen.

Danke an alle Spender!
  

Mittwoch, 18. September 2013

Mittwoch, 11. September 2013

Herr, schenke mir eine Extraportion Geduld - aber bitte sofort



Gestern kam die Nachricht im Radio, dass der Präsident den Schulbeginn wieder auf den 1.Oktober verschiebt. Nichts desto trotz bleibt der Abgabetermin für die Schule in Leogane für uns der Gleiche und die Jungs klotzen ordentlich hin, um nun in dem letzten Monat alles zu geben. Man plant nach deutscher Manier ein Projekt natürlich mit genügend Zeitpuffer, doch die haitianischen Umstände würden einen doppelten Puffer verlangen. Um Euch diesmal ein wenig in solche Bedingungen mit hinein zunehmen beleuchten wir ein paar ganz normale Tage im Leben des Herrn Dieufort Wittmer:

Montags bestellen wir  Mauersteine, zahlen im Voraus und man einigt sich darauf, dass der Verkäufer diese Mittwoch nachmittag auf der Baustelle anliefern wird. Es wird Mittwoch Abend, keine Mauersteine da. Donnerstag morgens ruft man an und wird vertröstet, die Lieferung käme „gleich“, was ein sehr dehnbares Wort auf Kreol ist. Ab Nachmittag sind die Handys der Geschäftsleitung zufällig alle ausgeschaltet. Freitag früh steht Dieufort persönlich dort nochmal auf der Matte und bekommt weder eine Entschuldigung noch eine plausible Erklärung. So muss unser friedliche Herr Druck machen, bis er selbst zusehen kann, wie sie den Track für ihn laden, der dann tatsächlich Freitags um 14:00 auf der Baustelle eintrifft. Unsere Maurer warteten somit eineinhalb Tage auf Material, die Arbeit wurde blockiert, nur weil der Steinverkäufer unsere Steine zwischendrin an andere Kunden abgegeben hat und erst neue herstellen musste. 

Als Kunde der Unibank, einer der größten Banken in Haiti, haben wir einen Fahrtweg von ca. 1-1,5 Stunden zur Bank. Es sind nicht viele Kilometer, doch durch die einzige hauptverkehrsstrecke nach Port-au-Prince ist zu allen Tageszeiten Stau und man erkämpft sich wirklich fast jeden zurückgelegten Meter. Mittlerweile wird Dieufort hierbei stets von einem Chauffeur und einem Sekurity begleitet, die zuvor auf der Strecke vor Leogane abgeholt werden müssen. Auf der Bank wartet man durchschnittlich unsagbare 2-3 Stunden, um Geld abzuheben. Man frägt sich wieso? Es gibt viele Kunden, jedoch nur sehr wenige (meistens nur 2) Schalter, die Administration ist unheimlich kompliziert und haitianisch langsam. Im Grunde gibt es sogar einen Geschäftskundenschalter, zu dem Dieufort gehen könnte, doch dieser ist nur an ca. 2 Tagen der Woche geöffnet – man fragt sich auch hier warum, ohne jemals auf Antworten zu stoßen, wahrscheinlich werden Arbeitsplätze eingespart. Nun ist er endlich an der Reihe. Fällt nun Strom aus, somit auch das Internet, so kann keine Unterschrift geprüft werden und man geht wieder unverrichteter Dinge nach Hause. Gibt es Strom, so gilt es nun ewig viel Papierkram auszufüllen, die Unterschrift 100 %ig exakt zu signieren und sich ja sehr freundlich mit der Schalterdame zu unterhalten, damit sie ihre Arbeit auch ja willig verrichtet. Wird nun Geld ausbezahlt, was für die Baustelle ja in höheren Beträgen vorkommt, so muss dies nun 2x von der Bank  gezählt werden und einmal von Dieufort selbst. Die haitianische Währung ist Gourdes, der größte Geldschein der 1.000 der, der ca. 20 EUR entspricht. Man kann sich also vorstellen, welche dicken Bündel man durchzählen und verstauen muss.  Internetbanking ist hier noch nicht angekommen und unsere Erfahrungen mit Schecks lassen zu wünschen übrig. Bei unseren Hauptmaterialverkäufern zahlen wir mittlerweile nur noch mit Schecks aus Sicherheitsgründen, doch von 5 Schecks kamen bisher ca. 3 jeweils wieder zurück. Dies bedeutet also wieder hinfahren, neue ausstellen, Fehlerhaftes an den Alten verbessern, mit der Bank Dinge abklären,…  Nachdem Erhalt des Bargeldes bei der Unibank wartet nun wieder der staubige Heimweg durch den Stau und die haitianische Hitze von wieder 1,5 Stunden. 

Um Materialkosten zu vergleichen macht sich Dieufort mit Chauffeur früh morgens auf den Weg nach Port-au-Prince (1,5 Std. einfache Fahrt). Alle Preise sind Verhandlungssache und durch den Import ständig im Wechsel (je nach Angebot und Nachfrage, Lieferverzögerung, Einkaufspreisänderungen,…), so dass man jeweils persönlich vor Ort sein muss, was in Europa im Katalog, Internet oder per Telefon abgeklärt werden könnte. So verhandelt man ev. 1 Std mit einem Geschäftsleiter, um dann nochmal eine halbe Std durch die Stadt zum nächsten Geschäft zu fahren um Vergleichsmöglichkeit zu haben. Nach weiteren 3 eingeholten Angeboten stellt man fest, dass der Erste den niedrigsten Preis verlangt, so fahren wir zurück nochmal quer durch die Stadt – im Dauerstau Port-au-Prince. Dort angekommen ist jedoch unser Verhandlungspartner zufällig nicht mehr da und der andere Mitarbeiter kann dies nicht für uns tätigen. Ein andermal ist der Chef zwar da, sagt uns auch das Material zu, aber da es bereits 15:15 ist und alle Geschäfte um 16:00 schließen, lässt er das Material nicht mehr aufladen, da es seine Arbeitszeit überschreiten würde. Wir wollen am nächsten Morgen wieder kommen. 

Nach all solchen Fahrten, auf der Baustelle angekommen stellt Dieufort öfters kleinere Arbeitsfehler fest, die in seiner Abwesenheit getätigt wurden, so dass er Verbesserungen anordnen, Erklärungen abgeben und seinen Baustellenleiter rügen muss. Ziel von Habitat-Ht ist es, unsere Bosse und den haitianischen Ingenieur weiterzubilden, sie an die deutsche ordentliche und sehr genaue Arbeitsweise ran zu führen und hierbei  allezeit zu motivieren. Diese Schulungen, zusätzliche Erklärungen, detaillierten Zeichnungen brauchen viel Zeit und bräuchten ganztägige Begleitung, die Dieufort durch die Bankgänge und Materialeinkäufe nicht allezeit gewähren kann. 

Diese alltäglichen Umständlichkeiten sind sehr ermüdend, besonders für uns Europäer, die gewohnt sind, dass diese Dinge leicht und schnell funktionieren können. Man schüttelt oft nur den Kopf, lernt darüber zu lachen, frägt sich und macht das Beste draus.  

Nach nun 8 Monaten Großbaustelle freuen wir uns über die Frucht die sichtbar wird, über jeden eigenständigen professionellen Schritt unserer Bosse,  und so präsentieren alle die Baustelle mit stolz geschwellter Brust, da mittlerweile mehrere Personen kommen, die ganz angetan sind von dieser Arbeitsweise – vor 3 Wochen war der Bürgermeister von Leogane überraschend zu Besuch. Gut Ding will Weile haben und in Haiti braucht eben alles eine dicke Extraportion an Geduld, doch solange man schmackhafte Früchte produziert, mag sich all der Einsatz gelohnt haben.