Wir lieben Herausforderungen. Das mag eine der Gründe sein,
warum wir neben vielen Flüchtlingslagern in und um Port au Prince ausgerechnet die Familie Cherestal in Canaan als Empfänger
eines HABITAT-HT Hauses ausgesucht haben. Obwohl wir uns der Herausforderung
des Berges theoretisch bewusst waren, offenbarte sich uns erst nach dem ersten
Pickelschlag das tatsächliche Ausmaß der Herausforderung, der wir uns würden
stellen müssen, um diese Baustelle zum Erfolg zu bringen.
- Anders als bei den anderen Baustellen, bauen wir der Familie als Nachhaltigkeitsaspekt ein zusätzliches Wasserreservoir, das uns für die Bauphase mit dem nötigen Wasser versorgt und der Familie zukünftig als kleine Geldeinnahmequelle inklusive Eigenversorgung dienen soll. Die Baukosten wird Cherestal allerdings komplett an HABITAT-HT rückerstatten müssen. Die Zeitplanung: 1- max. 1,5 Tage für den Aushub (Breite, Länge/Höhe 2,6/3,6/ 0,8 m), 2 Tage zum Verschalen, Bewehren und Betonieren.
- Leicht zeitlich versetzt soll das eigentliche HABITAT-HT Haus entstehen. Die Zeitplanung: Nach dem Aushub des Reservoirs sollen sich die vielen Helfer (10), die ich dieses Mal mitgebracht habe, an den Aushub des Fundamentes machen, maximal 2 Tage dazu benötigen. Nach dem Wochenende soll mit dem Wasser aus dem gefüllten Becken das Fundament fertiggestellt werden.
Es stellte sich jedoch heraus, dass wir tatsächlich auf
Felsen bauen, bzw. unser Fundament in den Felsen schlagen würden. Hochmotiviert
ging die Mannschaft am ersten Tag an die Arbeit und legte nach 10 cm ein
riesiges Felsplateau frei. Gemeinsam schwangen sie voller Kraft die Spitzhacke
und den Vorschlaghammer, doch bereits am Abend wurde jedem bewusst, dass die
Zeitplanung nicht eingehalten werden kann. Materialverschleiß, Kraftverlust,
Wassermangel – es wurde diskutiert, ob wir diese Baustelle überhaupt fortführen
können. Doch die freudige Erwartung in den Gesichtern der Familie ließ uns
keine echte Wahl. Die Fertigstellung der Wasserzisterne dauerte insg. sechs
Tage, drei weitere benötigten wir für das Fundament des Hauses: Insgesamt 9
anstelle von 3-4 Tagen. Angesichts der Arbeitsleistung meiner Mannschaft bin
ich im Nachhinein dennoch stolz, alle haben schwer geschuftet ohne zu nörgeln.
Warum ausgerechnet Canaan,
warum Familie Cherestal?
Der Kontakt zur Familie entstand durch eine Einsatzgruppe
von „Jugend mit einer Mission“ (JMM)
2011 in Haiti. Diese lernte die Familie in einer Zeltstadt in Port au Prince
kennen und machte HABITAT-HT auf sie aufmerksam. Als wir Cherestal im November 2011 kontaktierten
hatten sie bereits ein Grundstück in Canaan erhalten. Mehrmals stiegen wir den Berg
hinauf, um die Familie zu treffen und stellten fest, dass es schwierig werden
würde auf diesem Grundstück zu bauen. Gleichzeitig gab es einige gute Argumente,
die dafür sprachen: Die Präsens von HABITAT-HT in einem der großen Flüchtlingsgebiete, Präsentation
unserer Bauart gut sichtbar für andere Hilfsorganisationen an der Route
National 1, das Zusammenwirken mit Jugend mit einer Mission und letztendlich
die Bedürftigkeit der Familie.
Leben unter Planen
Ein paar Tage Zelten gilt als Spaß, wenn es regnet vermindert sich der Spaßfaktor
kurzzeitlich, aber es sind ja nur ein paar Tage. Wie es ist 2 Jahre bei Wind
und Wetter unter Planen zu leben, diese Erfahrung möchte ich nach den paar
Tagen, in denen die Planen unser Nachtquartier gewesen sind, nicht machen. Gemäß
dem haitianischen Brauch dem Gast das Beste zur Verfügung zu stellen was man
besitzt, gab die Familie mir und Ingenieur Guirlo das einzige klapprige Bett, damit
wir nicht auf dem nackten Mutterboden schlafen müssen. Selbst quartierten sie
sich vorübergehend in einer kleinen Wellblechhütte auf dem Nachbarsgrundstück ein.
In einem Raum schliefen also wir, im anderen unsere Köchinnen und die restliche
Mannschaft teilte sich auf, um im LKW oder unter freiem Himmel zu nächtigen. Mit
Beginn der Regenzeit Anfang April wurden wir allesamt nass. Mitten in der Nacht
wurden Bretter auf den nassen Boden gezimmert, damit man weiterschlafen konnte,
ohne im Schlamm zu versinken. Im einzig trockenen
Bett schliefen wir nun zu fünft. Mit dem nächtlichen Regen kamen tagsüber die Moskitos,
die uns unbarmherzig aussaugten.
Die Familie ließ kein einziges klagende Wort verlauten -ein für
uns ungewohnter miserabler Zustand ist für Cherestals Familie ein seit 2 Jahren
gewohntes Leiden. Jetzt verstehe ich seine täglichen Anrufe, die mich ehrlich
gesagt öfters genervt haben, bei denen er versicherte, dass seine Wohnsituation
nicht weiterhin erträglich sei und er immer wieder nachhakte, wann HABITAT-HT ihm
denn helfen könne.
Cherestals Familie bekommt nun ein sicheres und trockenes zu
Hause, dessen Fundament fest in den Felsen gemauert ist. Das Wissen, dass
unzählige Menschen immer noch unter Planen leben, die bei Regenwetter und Wind
einstürzen, komplett durchnässt werden oder auch so manche Lehmhütte regelmäßig
überschwemmt wird (wobei es die Kinder sind, die gewöhnlich auf dem Erdboden schlafen), all das macht unser Herz
schwer. Wir sind uns dessen bewusst nur einen kleinen Teil beitragen zu
können und wollen die Freude über die
Familien fokussieren, denen wir helfen können, anstatt uns von den Massen an Leid
niederschlagen zu lassen. Zugleich bleiben wir tagtäglich damit konfrontiert. Eins
ist sicher, HABITAT-HT wächst an seinen Herausforderungen!
Wasserzisterne |