Welch ein schöner Wortlaut der französischen Sprache. Im
Deutschen bedeutet ordinär „gewöhnlich“ und wird umgangssprachlich für etwas
Einfaches verwendet. Durch die Vorsilbe „extra“ bekommt dieses Wort im Französischen
die Gegenteilige Bedeutung, über welche ich gerne ein bisschen nachsinnen
möchte.
Gewöhnliches wird als normal empfunden, fällt uns in unserer
Umgebung kaum auf. Gewohnheiten vermitteln uns Sicherheit, nicht nur als
Einzelperson, sondern auch eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe bis hin zu einer
Kultur.
Was bedeutet dieses „Extra“ in meinem konkreten
Lebensalltag? Ist es ein Sahnehäubchen, das ich als „Extra“ zu dem mir wohlvertrauten Gewöhnlichen
hinzufügen kann? Also ein ganz normales Leben führen und dann in vereinzelten
Momenten etwas besonders Gutes tun? Ist es das, was aus gewöhnlich
außergewöhnlich macht? Was meint Jesus damit, wenn er sagt, wir sollen eine
zweite Meile *mitgehen, also einen „Extra“- Weg einberechnen?
Das Unerwartete Tun. Staunen, Verwunderung und Neugierde bei
meinem Gegenüber wecken. Raus aus dem gewohnten Trott. Anders sein. Unerwartet
sein? Eine Extra-ordinäre, auffallende Identität haben?
Was bedeutet es, Licht und Salz* in einer dunklen, faden
Welt zu sein? Das geht wohl tiefer als ein Sahnehäubchen, denn es setzt an
meiner Wurzel an anstatt mir lediglich ein Häubchen auf den Kopf zu drapieren. Es
betrifft mein gesamtes Sein, ein Durchdrungen sein – aber von was? Von
Alltagstrott, Eingefahrenheit und Gewöhnlichkeit? Oder doch von einem kleinen
Funken des Ausgefallenem, Auffallendem, Ungewöhnlichem?
Ich wünsche uns, dass wir diese Fragen nicht leichtfertig
überlesen, sondern möchte uns dazu ermutigen,
ihr nachzuspüren, sie in uns zu bewegen, vor Gott zu bringen. Nicht als philosophisches
Theorie-Schmuckstück, sondern als Atem mitten in unserem alltäglichen
Lebensstil der kunterbunt Leben einhaucht und uns (und andere) in Staunen
versetzt. Sind staunende, extra-ordinäre Momente nicht ehrfürchtig, anbetend?
Mitten in Haiti, mit meinem kleinen Leben in Gonaives… wie
nur kann ich hier Licht und Salz sein?
Haitis Geschichte trieft von Gewalt und Ungerechtigkeit durch Sklaverei und Kolonialismus. Diese
Themen ziehen sich bis heute als recht gewöhnlich durch die Kultur. Viele
Praktiken der Sklavenaufseher sind noch üblich, sei es in Familien Schulen oder
auch in Kirchen. Sie fallen so manchem Einheimischen nicht auf, sind Normalität. Ebenso wie Korruption, Ausschluss
der Bevölkerungsmehrheit von Grundrechten etc.
Extra-ordinäres
Verhalten scheint mir hier die Übertragung von Rechten und demütiges
Dienen zu sein. Besonders als Weiße. Als Institution.
Konkrete, außerordentliche Schritte die wir als
Lebensmission gehen sind:
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Zugang zu
Bildung für Familien, die sich aus eigenen Möglichkeiten keine Schulbildung
leisten können. Als Basis einer Gesellschaft Kindern Lesen und Schreiben, aber
auch eine qualitative Berufsausbildung
anbieten. Um eine bettelnde Zukunft zu vermeiden und Wege zu öffnen für
eine neue Generation die Gesellschaftsverändernd wirken möge.
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Partizipation (=Teilhabe+Mitsprache)
ermöglichen, in wöchentlichen Mitarbeitertreffen, bei denen sich alle offen
äußern können und gemeinsame Anliegen besprochen werden. Teilhabe schon mit jungen
Jahren durch unseren „runden Tisch“ bei dem die Kinderdorfkinder, Mütter und
die Kinderdorfleitung Themen einbringen, gemeinsam abstimmen. Hausabende bei
denen Erziehende lernen ihre Zöglinge partizipieren zu lassen und gemeinsam um
einen Tisch zu sitzen. Gleichwertigkeit trotz der nicht vorhandenen
Gleichartigkeit. Diese demokratischen Formen sind in einem diktatorischen Land
wie Haiti definitiv außergewöhnlich. Doch es greift tiefer als regelmäßige
Treffen, denn die Fähigkeit zur Meinungsbildung und –Äußerung, das Erleben von Konsequenzen gewisser getroffener
Entscheidungen etc. will zunächst gelernt sein. Im gewöhnlichen Schulsystem
stellt man keine Fragen oder diskutiert über Sachverhalte. Es wird stur auswendig
gelernt was der Lehrer sagt. Initiative ist auch am Arbeitsplatzgewöhnlich
unerwünscht. Gehorsam wird meist mehr belohnt.
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Wissensvermittlung durch kostenlose Seminare.
Schulungen für alle Altersgruppen. Mehr als Extra-ordinär in einer
Gesellschaft, in der jeder seinen Platz und vor allem sein Wissen verteidigt.
Geistlicher Erbe ist normalerweise nur ein Kind (von durchschnittlich 7) und
dieser erhält das Wissen oder die Übertragung der Geister (Heilung, Wahrsage,
Ahnengeister)erst auf dem Sterbebett. Selbst ein Rezept wollte mir eine Köchin
nicht rausgeben, eine andere warf mir eines Tages vor immer erst dann Kuchen zu
backen, wenn sie schon gegangen sei, damit sie nicht erfahren könne wie ich es
mache. Klingt in meinen Ohren lustig, doch es ist ein gewöhnliches Beispiel.
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Übernahme von Verantwortung, Freiraum sich zu
entscheiden und sich zu entfalten . Wir muten es den 19jährigen zu, ihren
Berufsweg selbst auszuwählen und Informationen bei den jeweiligen Institutionen
einzuholen. Es erstaunt mich zu erleben, dass Einzelne diese Freiheit bzw. Verantwortung ablehnen und deswegen die
Unterstützung verlieren. Raus aus der Opfermentalität, der Abhängigkeit der
Willkür Anderer. Sein Leben selbst in die Hand nehmen und das Beste draus
machen. Seine Rechte einfordern und offene Türen nutzen.
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Allgemeingültige Kriterien und Regeln statt
Willkür und ungerechte Bevorzugung. Jeder der ans Tor klopft darf eintreten,
hat Zugang zu allgemeinen Informationen (keine Uni gibt ein Infoblatt kostenlos
raus über ihr Studienangebot), ohne den Mitarbeiter erst dafür bezahlen zu
müssen. Zugang sogar zu den Leitern und ein anerkanntes Beschwerderecht- ein
echtes Sahnehäubchen. Wie oft versuchen
hier Menschen über Beziehungen an gewisse Vorteile ranzukommen – mir als
Deutsche ist das unangenehm und ich verweise sie n den zuständigen
haitianischen Mitarbeiter. Doch ich lehne damit zugleich auch eine
Einnahmequelle ab. Für eine Stellenvermittlung ist es üblich das erste
komplette Gehalt zu bekommen. Bei der Vermittlung von regelmäßigen Einnahmen
(wie Patenschaft) wäre es kulturell auch denkbar monatlich einen gewissen
Teilbetrag zu erhalten. Übertragung von Rechten bedeutet somit auch gewisse
Dinge zu entpersonalisieren. Nicht jemandem zu geben, weil er mir sympathisch
ist, sondern weil er ein Mensch ist – wie Du und ich. Nicht weil er mir dann XX
schuldet, sondern weil es ihm zusteht. Mich mit meinem Gegenüber zu freuen
anstatt von dem Seinen Profitieren zu wollen. Kein Groll zu empfinden, wenn
eine bedürftige Familie ein Haus gespendet bekommt, während ich als Mitarbeiter
kein eigenes habe – nur weil ich weniger bedürftig bin. Sich der Gnade bewusst
sein, die beschenkt – sie ist uns allen gegeben und es ist nicht an mir auf das
jeweilige Maß neidisch zu blicken.
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Die jährlichen Evaluationen der Mitarbeiter
nehmen unglaublich viel Zeit und Energie in Anspruch. Sie gehören aber auch dem
EXTRA an wie: klare Stellenbeschreibungen, feste Arbeitszeiten, faire
Evaluationen nach der individuellen Arbeitsleistung sind auf staatlichen
Stellen offensichtlich nicht vorhanden. Ebenso ein regelmäßig pünktlich
ausbezahltes Gehalt, saubere Toiletten, ein Arbeitsplatz im Grünen, ein
kostenloses ausgewogenes Mittagessen, Trinkwasser für die Familie, Hilfe bei
Todesfällen in der direkten Linie u.a.mehr.
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Transparente Buchhaltung ist absolut
außergewöhnlich in Haiti. Zweckgebundene Ausgaben, die von den Empfängern
direkt unterzeichnet werden (meist mit Daumenabdruck, da viele nicht schreiben
können) ohne dass ein Vermittler sich Durchreichgeld nimmt, Dankesbriefe in
denen die erhaltenen Summen offen genannt werden dürfen. Zugang zum Chef bei
Beschwerden oder Misstrauen zur Überprüfung des jeweiligen Spendenbetrages.
Jährliche Kassenkontrollen von außen,… Weil es so gewöhnlich ist, werden manche
üblichen Handhabungen gar nicht Korruption genannt. Auch unter Christen staunt
man was da so üblich ist. Außergewöhnlich zu sein, bedeutet sich hier auch
abzugrenzen, unbequem sein, weil man aus der Masse heraustritt, wortlos Dinge
offenbart. Was gab es Probleme, als eine Köchin vom Markt so viel mehr mit
heimgebracht hatte als all die anderen gewöhnlich. Beim gleichen verfügbaren
Geldbetrag. Ein wortloses Anklagen, offensichtlich werden von schlechter
Gewohnheiten der Mehrheit der anderen Köchinnen. Dieses EXTRA ist oft auch eine zusätzliche
Portion ausgeschlossen sein, gestraft werden für Gerechtes und integres
Handeln. Salz ist in jedem Essen eine
Minderheit im Vergleich zu allen anderen Zutaten. Doch es hat große Wirkung.
Dafür darf es aber nicht im Salzstreuer bleiben.
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Verschiedene Kulturen leben und arbeiten
gemeinsam, was nicht anders kann als alle Horizonte zu erweitern. Ökumene wird
im Alltag gelebt.
Anders sein. Unerwartet. Überraschend. EXTRA-ordinär. Die
Person, die all dies in sich am allermeisten in sich vereinbarte ist Jesus
Christus. Mit all den Konsequenzen die das mit sich bringt. Auch wir wollen
offen sein für Gottes Handeln in seiner ureigenen ungewöhnlichen Form, die uns
in Staunen versetzt. Er sprengt Kategorien, Gewohnheiten, lässt sich nicht
klein einsperren in das was wir Normalität nennen.
Seinem Modell folgen. Mutig. Heraustreten und EXTRA-ordinär
leben. Mehr als ein Sahnehäubchen.
Nach pragmatischen Wegen suchen, sie Schritt für Schritt
gehen. Hinfallen, wieder aufstehen. Seine Hand ergreifen und weitergehen.
Nicht weil wir so gut sind, sondern weil uns eine Generation
anvertraut ist und wir Zuversicht haben, dass wir in unserem EXTRA nachgeahmt
werden und Einfluss in dieser Gesellschaft gewinnen. Nicht durch Anklage und
Besserwisserei, sondern durch Hinwendung, Dienen in Gerechtigkeit. Um nicht etwas
für unser Leben zu verändern, sondern für Andere einen Weg zu bahnen, ihnen
Licht und Salz zu sein.
Neugierig geworden auf ein Bereitschaft für ein gewisses
Extra – ganz gleich wie dieses aussehen mag in Deinem Leben?
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