Dienstag, 9. Oktober 2012

Ein Jahr Haiti



Ein Jahr Haiti  

Nun leben wir als Familie schon ein ganzes Jahr in Haiti. Eine willkommene Gelegenheit, um wiedermal innezuhalten und zu reflektieren:

 
Mit 8 Koffern für 4 Personen sind wir hier angekommen und wenn ich mir unsere Habseligkeiten heute betrachte, kann ich sagen, wir haben gelernt minimalistisch zu leben. Oft mehrere Tage ohne Strom, ohne Wasser, ohne den vielfältigen so liebgewonnenen europäischen Luxus, sind wir mitten eingetaucht in eine komplett andere Welt. In eine kunterbunte, kreative Welt, die voller Leben nur so sprudelt und gleichzeitig so viel Sterben in sich trägt. Haiti nach und nach verstehen zu lernen, das ist eine emotionale Entdeckungsreise, die keinen kalt lässt, der sein Herz wahrlich öffnet. Frust, Freude, Unverständnis und Begeisterung sind einige der Höhen und Tiefen, die man auf diesem Weg beschreitet. 

Ich (Martina) bin dankbar mich recht schnell sprachlich zurechtgefunden zu haben, denn die Sprache bleibt ein zentraler Schlüssel zum Ankommen in einem fremden Land. Unsere Mädchen (8 und 3 Jahre) sprechen mittlerweile fließend Kreol und im Gegensatz zu mir ohne jeglichen Akzent. Für unsere Kinder ist das Kinderdorf der Lebensmission ein reines Paradies mit den grünen Bäumen, dem Sportplatz, den unterschiedlichen Tieren, den vielen treuen Freunden und dem immerwährenden Sommerwetter. Wir haben das Vorrecht für Idiani die beste Schulbildung wählen zu können, so nahmen wir sie im Januar aus der haitianischen Schule und unterrichten sie seitdem per deutscher Fernschule eigenständig Zu Hause. Charline wird weiterhin ihre Freiheit genießen, da das haitianische Kindergartensystem sehr strikt ist und ich mich dagegen sträube mein Kind züchtigen zu lassen, nur weil es mit 3 Jahren nicht 4 Std brav auf der Schulbank sitzen mag. Ein wahrer Segen war unsere Gesundheit, denn wir sind uns bewusst diesbezüglich ein stetes Risiko einzugehen, in einem Land, in dem die medizinische Versorgung sehr zu wünschen übrig lässt.  


Wenn ich betrachte, wie viele wertvolle Kontakte wir bereits innerhalb eines Jahres knüpfen konnten, wie viele Beziehungen sich nach und nach ganz sachte und zart entwickelt haben, dann bestätigt mir mein Herz, dass wir am richtigen Platz sind. All die rauen Alltagshindernisse bei der Bewältigung von –aus europäischer Sicht- noch so simplen Dingen, vermindern nicht die Freude am Erfolg, zu beobachten wie sich Menschen entwickeln, in die man investiert und die alternativ keinerlei Zuversicht auf eine gelungene Zukunft hätten. Uns mag das Säen im wahrsten Sinne des Wortes einigen Schweiß kosten, doch es ist ein Vorrecht schon nach einem Jahr Frucht sehen zu dürfen und wir werden es am Ende mit Freude gemeinsam einfahren. 

Allen unseren Besuchern möchte ich von Herzen danken, dass sie sich eingelassen haben unser Leben mit uns zu teilen, es zu bereichern und ein Stück Heimat mitzubringen (u.a. Salami :-). Wir freuen uns schon auf das weitere neue Jahr in Haiti und hoffen wieder sehr viele Besucher willkommen heißen zu können!




Zugleich ist es ein Jahr HABITAT-HT


Ein Jahr Bauprojekt HABITAT-HT war gefüllt von unbeschreiblich viel Arbeit, doch im Rückblick können wir auch gerade deshalb die vielen Erfolge verzeichnen, die wir in so kurzer Zeit bewirken durften. Die Einrichtung eines Büros, inklusive Anlernung der Sekretärin, über die Anschaffung des nötigen Fuhrparks sowie der notwendigen Maschinen und Baumaterialien, bis hin zum Kontakte knüpfen zu den großen Baumärkten in Haiti mit ihren Zwischenhändlern vor Ort. Zudem wurde das Bauteam angestellt, mehrmals modifiziert, erweitert und dessen Weiterbildung und Spezialisierung gewährleistet.
4 komplette Spendenhäuser haben unsere treuen Unterstützer ermöglicht, eine weitere Dachsanierung ist momentan in Konstruktion und wird wohl noch vor dem nächsten Zyklon fertig. Gleichzeitig durften wir mehrere Schreiner- und kommerzielle Bauaufträge realisieren.  Die Ingenieure von HABITAT-HT haben desweiteren unzählige Angebote ausgearbeitet, doch auch auf Haiti lebt man in einer harten Geschäftswelt, in der man Absagen wegstecken lernen muss, doch es stehen ebenso noch einige Angebote aus und wir sind zuversichtlich weitere Bauaufträge zu erhalten. Für den kommerziellen Zweig konnten wir die korrekte Existenzgründung einer haitianischen Baufirma nun endlichabzuschließen -die Bürokratie ist in Haiti noch komplizierter als in Deutschland. 

Es freut mich von Herzen zu sehen, was ein regelmäßiges Gehalt innerhalb der Familien unserer Bauarbeiter bewirkt: ALLE Kinder gehen zur Schule und einige wechseln nun sogar auf bessere Schulen, die dementsprechend teurer sind. In 1 Familie konnte eine schon lange notwenige LeistenOP durchgeführt werden, die Angehörigen essen regelmäßig und ausgewogener. Als Frau besuche ich gerne die Frauen der Mitarbeiter zu Hause und erlebe, wie viel Hoffnung und Freude HABITAT-HT in diesem Sinne „indirekt“ vermittelt. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist ein Slogan, der in Mode und somit in aller Munde ist. Die Realisierung dessen mag uns oft viel Kraft kosten, da sich HABITAT-HT mit den haitianischen Begebenheiten, Traditionen und ganz eigenen kulturellen Idealen auseinandersetzen muss. So wissen wir unsere Kooperation der Leiter, der unterschiedlichen Kulturen, Bildungstandards und Arbeitserfahrungen umso mehr zu schätzen, die stets fruchtbar endet und sehr wertschätzend gelebt wird. 

Für das zweite Jahr HABITAT-HT wünschen wir uns, den Spendenzweig weiterhin auszubauen und parallel auf dem Bausektor in Haiti Fuß zu fassen, um eine langfristige Autonomie zu gewährleisten.

Ein ganz besonderes Dankeschön an all unsere Unterstützer, ohne die all dies nicht möglich wäre!
Möge auch das weitere Jahr seine Frucht bringen – zum Wohle Haitis!

- Wir hoffen ganz viele von Euch nun in ein paar Tagen persönlich zu sehen und uns mit Euch auszutauschen! - 




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