Artikel aus dem Quartalsheft der Lebensmission:
Am 6.Oktober 2011 zogen Dieufort
und ich los. Mit zwei Kindern, 8 Koffern, einer klaren Vision, höchster Motivation
und zugleich einem blubberndem Bauchgefühl. Ankommen in einer neuen Kultur
bringt stets Verunsicherung mit sich. Sich komplett neu orientieren, Sprache lernen,
kulturelle Umgangsformen und gewisse Fettnäpfchen kennenlernen etc. Dieufort
hatte hier klaren Vorteil, so dass Habitat-HT rasch starten konnte. Unsere
Mitarbeiter stammten hauptsächlich aus dem Umkreis der Lebensmission, teilweise
ehemalige Kinderdorfkinder, Schreiner die bei Günther Rinklin gelernt haben, sowie
Freunde und Bekannte. Mit der Zeit kamen Andere dazu, Einzelne gingen weg, doch
wir erleben es als besonderen Segen ein solides Stammteam zu haben, das mittlerweile
einen erheblichen gemeinsamen Erfahrungsschatz gesammelt hat.
Wir gingen durch manche
Höhen und Tiefen. Der bewaffnete Überfall auf Dieufort und meine
Blinddarmoperation gehören wohl zu den heftigsten Erlebnissen. Manche tropische
Krankheit wollte durchgestanden werden. Die Vision an sich blieb fest in
unseren Herzen verankert, doch manche konkrete Umsetzungsstrategie wurde
verändert, an haitianische Bedingungen angepasst, Prioritäten verschoben. Man
lernt die Stärken beider Kulturen zu erkennen, wertzuschätzen und bewusst zu nutzen,
beginnt sich an gewisse Lebensbedingungen anzupassen ohne eigene Prinzipien gänzlich
zu verraten. Wichtig ist es, die Sensibilität dafür zu entwickeln, wo wir
soziale Helfer dem Hilfeempfänger etwas überstülpen, was ihm nicht entspricht
und gleichzeitig die Balance zu finden positive Entwicklungen anzustoßen, die ihn
langfristig freisetzen. Man wächst bekanntlich an Herausforderungen- und an
diesen mangelt es in Haiti nicht. Glaube wächst nicht durch theoretisches
Studium, er ist dann gefragt, wenn man vor unwegsamen Situationen steht. Petrus
wurde herausgefordert, Jesus auf dem Wasser entgegen zu kommen (Matthäus 14,29).
An Land hätte er nie gelernt auf dem Wasser zu gehen. Es ist ein Wagnis Gottes
Führung zu folgen, seinen Zusagen zu vertrauen und die menschlichen Konstrukte vermeintlicher
Sicherheit zu verlassen. Blicken wir auf die bedrohlichen Wasserfluten, so
werden wir sinken. Blicken wir auf ihn, den Fels in der Brandung; der war, der
ist und der bleibt - so werden wir Wege
gehen, die menschlich zunächst unmöglich erscheinen. Für uns ist es das
Bauprojekt Habitat-HT, das Kinderdorf der Lebensmission und Haiti allgemein -
auf welches Wasser ruft Jesus Dich persönlich hinaus? Die beruhigende Tatsache
ist, dass er bereits auf dem Wasser steht und uns seine starke Hand entgegenstreckt.
Friede und Freiheit finden wir dort, wo wir es wagen ihm entgegenzugehen.
Friede, der allen Verstand übersteigt. Freiheit, die alles loslässt was zuvor
als wichtig erschien.
5 Jahre – sie waren nicht
leicht, doch sie waren erfüllt. Voller Leben, reich an Freundschaft, Treue und
die so klar sichtbare Frucht der Arbeit sind segensreiche Geschenke, die
durchtragen und ermutigen weiter
voranzugehen.
Angesichts der großen Not,
mit der man tagtäglich konfrontiert ist, bleibt es gefühlt stets ein Tröpfchen
auf den heißen Stein, auch wenn man seine komplette Energie, Zeit und Finanzen
einsetzt. Ein Haus, eine Latrine, ein regendichtes Dach – jedes Einzelne ein
riesen Aufwand; so viele verschiedene Menschen legen zusammen… Eine Frage
taucht wiederholt auf: „Lohnt sich der Aufwand?“ Da denke ich an die Geschichte
von den Seesternen aus Schleswig-Holstein:
Ein alter Mann ging früh am Morgen am Strand
entlang. In der Nacht hatte der Sturm unzählige Seesterne an Land gespült. Ein
kleiner Junge las Seesterne auf und warf sie ins Meer zurück. Der alte Mann fragte
ihn, warum er das tue. "Weil die Seesterne sterben, wenn sie hier nachher
in der Sonne liegen", antwortete der Junge. "Aber der Strand ist
viele Kilometer lang und da liegen Tausende von Seesternen", sagte der
alte Mann. "Was macht das nun für einen Unterschied aus, wenn du von den
vielen ein paar ins Meer zurückwirfst? Du wirst eh nicht alle retten können. Geh
lieber spielen und vergeude nicht deine Zeit." Der Junge sah auf den
Seestern in seiner Hand und während er ihn warf, antwortete er: "Für
diesen ist es ein Unterschied, ob er leben oder sterben wird." Von Marie Hüsing
Wir bleiben klein. Habitat-HT
mag ein Tropfen sein inmitten der haitianischen Glut vielfältiger Nöte. Doch
für den Einzelnen ist dieser Tropfen eine Kraftquelle, Erfrischung, Hoffnung
und ein Zeichen der Liebe Gottes. Wie der Junge möchten auch wir antworten: „Für
diese Familie ist es ein Unterschied, die nun in einem Haus wohnt. // Für diesen Mitarbeiter ist es ein Unterschied,
der monatlich sein Gehalt abholt und seine Kinder zur Schule schicken kann. // Für
diese Witwe ist es ein Unterschied, ob sie als Köchin die hungrigen Bäuche
ihrer Kinder füllen kann.“ …
2016 war ein mageres Spendenjahr
für Habitat-HT. Vielleicht weil wir schon zu lange weg sind und in
Vergessenheit geraten. Vielleicht weil uns kein Besuch möglich war, um Vorträge
zu halten und bisschen Werbung zu machen... Spekulationen liegen mir nicht.
Lasst uns etwas daran ändern. Die Vorweihnachtszeit beginnt und so manche Firma
weiß noch nicht an wen sie ihre Weihnachtsspende richten mag, allerlei
Veranstaltungen unterstützen gerne einen sozialen Zweck… Wir brauchen Euch, die
ihr mittendrin seid und den einen oder anderen Vorschlag machen könnt.
Kreativität, Initiative und ein herzliches Lächeln erreicht doch immer leicht
die Herzen.
Auf das 6. Jahr Habitat-HT!
Auf viele weitere Spendenhäuschen und Latrinchen! Auf jeden einzelnen Tropfen,
den wir in dieses dürre Land ausgießen dürfen! Und auf unsere Zusammenarbeit, bei der sich so viele buntgemischte
Menschen zusammentun!
Mögen wir immer wieder
Jesu Ruf folgen und den Schritt aufs Wasser hinaus wagen!
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