Gestern kam die Nachricht im Radio, dass der
Präsident den Schulbeginn wieder auf den 1.Oktober verschiebt. Nichts desto
trotz bleibt der Abgabetermin für die Schule in Leogane für uns der Gleiche und
die Jungs klotzen ordentlich hin, um nun in dem letzten Monat alles zu geben.
Man plant nach deutscher Manier ein Projekt natürlich mit genügend Zeitpuffer,
doch die haitianischen Umstände würden einen doppelten Puffer verlangen. Um
Euch diesmal ein wenig in solche Bedingungen mit hinein zunehmen beleuchten wir
ein paar ganz normale Tage im Leben des Herrn Dieufort Wittmer:
Montags bestellen wir Mauersteine, zahlen im Voraus und man einigt
sich darauf, dass der Verkäufer diese Mittwoch nachmittag auf der Baustelle
anliefern wird. Es wird Mittwoch Abend, keine Mauersteine da. Donnerstag morgens
ruft man an und wird vertröstet, die Lieferung käme „gleich“, was ein sehr
dehnbares Wort auf Kreol ist. Ab Nachmittag sind die Handys der
Geschäftsleitung zufällig alle ausgeschaltet. Freitag früh steht Dieufort
persönlich dort nochmal auf der Matte und bekommt weder eine Entschuldigung
noch eine plausible Erklärung. So muss unser friedliche Herr Druck machen, bis
er selbst zusehen kann, wie sie den Track für ihn laden, der dann tatsächlich
Freitags um 14:00 auf der Baustelle eintrifft. Unsere Maurer warteten somit
eineinhalb Tage auf Material, die Arbeit wurde blockiert, nur weil der
Steinverkäufer unsere Steine zwischendrin an andere Kunden abgegeben hat und
erst neue herstellen musste.
Als Kunde der Unibank, einer der größten
Banken in Haiti, haben wir einen Fahrtweg von ca. 1-1,5 Stunden zur Bank. Es
sind nicht viele Kilometer, doch durch die einzige hauptverkehrsstrecke nach
Port-au-Prince ist zu allen Tageszeiten Stau und man erkämpft sich wirklich
fast jeden zurückgelegten Meter. Mittlerweile wird Dieufort hierbei stets von
einem Chauffeur und einem Sekurity begleitet, die zuvor auf der Strecke vor
Leogane abgeholt werden müssen. Auf der Bank wartet man durchschnittlich
unsagbare 2-3 Stunden, um Geld abzuheben. Man frägt sich wieso? Es gibt viele
Kunden, jedoch nur sehr wenige (meistens nur 2) Schalter, die Administration
ist unheimlich kompliziert und haitianisch langsam. Im Grunde gibt es sogar
einen Geschäftskundenschalter, zu dem Dieufort gehen könnte, doch dieser ist
nur an ca. 2 Tagen der Woche geöffnet – man fragt sich auch hier warum, ohne
jemals auf Antworten zu stoßen, wahrscheinlich werden Arbeitsplätze eingespart.
Nun ist er endlich an der Reihe. Fällt nun Strom aus, somit auch das Internet,
so kann keine Unterschrift geprüft werden und man geht wieder unverrichteter
Dinge nach Hause. Gibt es Strom, so gilt es nun ewig viel Papierkram
auszufüllen, die Unterschrift 100 %ig exakt zu signieren und sich ja sehr
freundlich mit der Schalterdame zu unterhalten, damit sie ihre Arbeit auch ja
willig verrichtet. Wird nun Geld ausbezahlt, was für die Baustelle ja in
höheren Beträgen vorkommt, so muss dies nun 2x von der Bank gezählt werden und einmal von Dieufort
selbst. Die haitianische Währung ist Gourdes, der größte Geldschein der 1.000
der, der ca. 20 EUR entspricht. Man kann sich also vorstellen, welche dicken
Bündel man durchzählen und verstauen muss.
Internetbanking ist hier noch nicht angekommen und unsere Erfahrungen
mit Schecks lassen zu wünschen übrig. Bei unseren Hauptmaterialverkäufern
zahlen wir mittlerweile nur noch mit Schecks aus Sicherheitsgründen, doch von 5
Schecks kamen bisher ca. 3 jeweils wieder zurück. Dies bedeutet also wieder
hinfahren, neue ausstellen, Fehlerhaftes an den Alten verbessern, mit der Bank
Dinge abklären,… Nachdem Erhalt des
Bargeldes bei der Unibank wartet nun wieder der staubige Heimweg durch den Stau
und die haitianische Hitze von wieder 1,5 Stunden.
Um Materialkosten zu vergleichen macht sich
Dieufort mit Chauffeur früh morgens auf den Weg nach Port-au-Prince (1,5 Std.
einfache Fahrt). Alle Preise sind Verhandlungssache und durch den Import
ständig im Wechsel (je nach Angebot und Nachfrage, Lieferverzögerung,
Einkaufspreisänderungen,…), so dass man jeweils persönlich vor Ort sein muss,
was in Europa im Katalog, Internet oder per Telefon abgeklärt werden könnte. So
verhandelt man ev. 1 Std mit einem Geschäftsleiter, um dann nochmal eine halbe
Std durch die Stadt zum nächsten Geschäft zu fahren um Vergleichsmöglichkeit zu
haben. Nach weiteren 3 eingeholten Angeboten stellt man fest, dass der Erste
den niedrigsten Preis verlangt, so fahren wir zurück nochmal quer durch die
Stadt – im Dauerstau Port-au-Prince. Dort angekommen ist jedoch unser
Verhandlungspartner zufällig nicht mehr da und der andere Mitarbeiter kann dies
nicht für uns tätigen. Ein andermal ist der Chef zwar da, sagt uns auch das
Material zu, aber da es bereits 15:15 ist und alle Geschäfte um 16:00
schließen, lässt er das Material nicht mehr aufladen, da es seine Arbeitszeit
überschreiten würde. Wir wollen am nächsten Morgen wieder kommen.
Nach all solchen Fahrten, auf der Baustelle
angekommen stellt Dieufort öfters kleinere Arbeitsfehler fest, die in seiner
Abwesenheit getätigt wurden, so dass er Verbesserungen anordnen, Erklärungen
abgeben und seinen Baustellenleiter rügen muss. Ziel von Habitat-Ht ist es,
unsere Bosse und den haitianischen Ingenieur weiterzubilden, sie an die
deutsche ordentliche und sehr genaue Arbeitsweise ran zu führen und
hierbei allezeit zu motivieren. Diese
Schulungen, zusätzliche Erklärungen, detaillierten Zeichnungen brauchen viel
Zeit und bräuchten ganztägige Begleitung, die Dieufort durch die Bankgänge und
Materialeinkäufe nicht allezeit gewähren kann.
Diese alltäglichen Umständlichkeiten sind sehr
ermüdend, besonders für uns Europäer, die gewohnt sind, dass diese Dinge leicht
und schnell funktionieren können. Man schüttelt oft nur den Kopf, lernt darüber
zu lachen, frägt sich und macht das Beste draus.
Nach nun 8 Monaten Großbaustelle freuen wir
uns über die Frucht die sichtbar wird, über jeden eigenständigen
professionellen Schritt unserer Bosse,
und so präsentieren alle die Baustelle mit stolz geschwellter Brust, da
mittlerweile mehrere Personen kommen, die ganz angetan sind von dieser
Arbeitsweise – vor 3 Wochen war der Bürgermeister von Leogane überraschend zu
Besuch. Gut Ding will Weile haben und in Haiti braucht eben alles eine dicke
Extraportion an Geduld, doch solange man schmackhafte Früchte produziert, mag
sich all der Einsatz gelohnt haben.
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