Heute möchte ich Euch einen kleinen Jungen vorstellen und hierzu einen Artikel des Lebensmissionsheftes abdrucken:
"Zuflucht für den misshandelten Charlemay
Das gonaiver Jugendamt (auf haitianisch nennt sich dies
IBESR) wurde vor einem halben Jahr neu auf unser Kinderdorf der Lebensmission
aufmerksam, da wir unsere Genehmigung erneuern mussten.
Da wir eines der qualitativsten Waisenheime in Artibonit
sind, werden uns nun immer wieder Kinder zur Kurzzeitpflege abgegeben. Das
Prozedere entspricht einer deutschen Inobhutnahme wegen akuter
Kindeswohlgefährdung, mit dem entscheidenden Unterschied, dass das
haitianische Jugendamt keine sozialen
Gelder verwaltet. So ist die Lebensmission zwar verpflichtet bis zu 5 Kinder
von IBESR anzunehmen (entspricht 20% der verfügbaren Betten), muss aber komplett
selbst für die jeweiligen Kosten aufkommen. Dies muss aus dem allgemeinen
Budget finanziert werden, da es bisher noch keinen Paten für einen solchen
„Notfallplatz“ gibt.
So wurden Walner (Direktor) und ich, Martina
(Sozialpädagogin), vor 2 Wochen aus einer Sitzung rausgerufen, da IBESR
wiedermal mit einem Jungen an unserem Tor stand. Charlemay ist 7 Jahre alt,
seine körperliche Entwicklung entspricht jedoch eher einem 5 Jährigen. Sein
Gesicht voller Schürfwunden, an Handrücken und Armen große Narben: man hat ihm
mit einem zuvor ins Feuer gelegten Eisen immer wieder Verbrennungen zugefügt.
Sein Rücken ist voller Striemen, Blutergüssen und Wunden.
Nach dem Tod seiner Mutter habe ihn sein Vater, ein
armer Landbauer, vor einem Jahr in
die Stadt zu einem Onkel geschickt, um seine Schulbildung gewährleisten
zu
können. Leider ist dies eine haitianisch übliche Praxis, da es in den
Bergdörfern häufig gar keine Schulen gibt oder aber die Eltern die
Schulgebühren nicht aufbringen können. So leben viele Kinder als
sogenannte
„Restaveks“ bei anderen Familienangehörigen oder fremden Familien, wo
sie für
ihre Verpflegung einen hohen Arbeitseinsatz bringen müssen. (Restaveks
sind auch unter der Bezeichnung "Kindersklaven" bekannt). Charlemay
wurde
zwar die Schule von seinem Onkel bezahlt (er ging nach eigenen Angaben
in die erste Klasse),
doch seine Tante misshandelte ihn tagtäglich. Eine Nachbarin habe
Charlemay auf
der Straße abgefangen und beim Gonaiver Kommissariat abgegeben, das in solchen Fällen wiederum IBESR
verständigt. Das Jugendamt wird nun Anzeige erstatten, gerichtliche Verfahren
gegen die Tante und Onkel einleiten und zugleich den leiblichen Vater
ausfindig machen. Charlemay berichtet von mehreren Geschwistern, die ebenso in anderen
Familien untergebracht seien – er wisse nicht wo, er habe sie seit seinem Umzug
nicht mehr gesehen.
Da die Betten in unserem Jungenhaus momentan komplett belegt
sind, wurde eine zusätzliche Matratze auf dem Boden hinzugefügt. Unser Jüngster
(12 Jahre) beschloss sofort Charlemay sein eigenes Bett zu geben und während dessen Aufenthaltes selbst
auf dem Boden zu schlafen. Die Liebe, mit der unsere Kindermutter Lyvanette
Charlemay sogleich wusch, umsorgte und aufnahm, berührte mich zutiefst. Unsere
Jungs durchwühlten sofort ihren Kleiderschrank, um dem Maltraitierten schöne
Kleidung zu geben und boten ihm eines ihrer Spielzeugautos an. Ich bin überaus
stolz, welch wunderbare Menschen wir in unserem Kinderdorf haben, die so viel
Gutes bewirken und sich unermüdlich für Geschundene und arme Menschen
einsetzen!
Bereits am Abend blühte Charlemay sichtlich auf und sang aus
voller Kehle bei der Weihnachtschorprobe mit. Indem wir ihm heute Zuflucht
gewähren, lindern wir einen Teil des großen Leides in seinem jungen Leben.
Mögen wir immer wieder unsere Arme öffnen für den Einzelnen – genau hierfür
sind wir da.
Das Kinderdorf der Lebensmission war und ist so Vielen
Zuflucht, mögen es auch zukünftig mehr und mehr Menschen werden, die davon
profitieren."
-- Inzwischen hat das Jugendamt beschlossen, Charlemay langfristig in
unsere Obhut zu geben, so dass wir einen Paten suchen, der mit Freude
monatlich 70 EUR investiert, um Charlemay eine sichere, friedliche und
fördernde weitere Kindheit im Kinderdorf der Lebensmission e.V. zu ermöglichen.--
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