Ein Jahr Haiti
Nun leben wir als Familie schon ein ganzes Jahr in Haiti.
Eine willkommene Gelegenheit, um wiedermal innezuhalten und zu reflektieren:
Mit 8 Koffern für 4 Personen sind wir hier angekommen und
wenn ich mir unsere Habseligkeiten heute betrachte, kann ich sagen, wir haben
gelernt minimalistisch zu leben. Oft mehrere Tage ohne Strom, ohne Wasser, ohne
den vielfältigen so liebgewonnenen europäischen Luxus, sind wir mitten
eingetaucht in eine komplett andere Welt. In eine kunterbunte, kreative Welt,
die voller Leben nur so sprudelt und gleichzeitig so viel Sterben in sich
trägt. Haiti nach und nach verstehen zu lernen, das ist eine emotionale Entdeckungsreise,
die keinen kalt lässt, der sein Herz wahrlich öffnet. Frust, Freude,
Unverständnis und Begeisterung sind einige der Höhen und Tiefen, die man auf
diesem Weg beschreitet.
Ich (Martina) bin dankbar mich recht schnell sprachlich
zurechtgefunden zu haben, denn die Sprache bleibt ein zentraler Schlüssel zum
Ankommen in einem fremden Land. Unsere Mädchen (8 und 3 Jahre) sprechen
mittlerweile fließend Kreol und im Gegensatz zu mir ohne jeglichen Akzent. Für
unsere Kinder ist das Kinderdorf der Lebensmission ein reines Paradies mit den
grünen Bäumen, dem Sportplatz, den unterschiedlichen Tieren, den vielen treuen
Freunden und dem immerwährenden Sommerwetter. Wir haben das Vorrecht für Idiani
die beste Schulbildung wählen zu können, so nahmen wir sie im Januar aus der
haitianischen Schule und unterrichten sie seitdem per deutscher Fernschule
eigenständig Zu Hause. Charline wird weiterhin ihre Freiheit genießen, da das
haitianische Kindergartensystem sehr strikt ist und ich mich dagegen sträube
mein Kind züchtigen zu lassen, nur weil es mit 3 Jahren nicht 4 Std brav auf
der Schulbank sitzen mag. Ein wahrer Segen war unsere Gesundheit, denn wir sind
uns bewusst diesbezüglich ein stetes Risiko einzugehen, in einem Land, in dem
die medizinische Versorgung sehr zu wünschen übrig lässt.
Wenn ich betrachte, wie viele wertvolle Kontakte wir bereits
innerhalb eines Jahres knüpfen konnten, wie viele Beziehungen sich nach und
nach ganz sachte und zart entwickelt haben, dann bestätigt mir mein Herz, dass wir am richtigen
Platz sind. All die rauen Alltagshindernisse bei der Bewältigung von –aus
europäischer Sicht- noch so simplen Dingen, vermindern nicht die Freude am
Erfolg, zu beobachten wie sich Menschen entwickeln, in die man investiert und
die alternativ keinerlei Zuversicht auf eine gelungene Zukunft hätten. Uns mag
das Säen im wahrsten Sinne des Wortes einigen Schweiß kosten, doch es ist ein
Vorrecht schon nach einem Jahr Frucht sehen zu dürfen und wir werden es am Ende
mit Freude gemeinsam einfahren.
Allen unseren Besuchern möchte ich von Herzen danken, dass
sie sich eingelassen haben unser Leben mit uns zu teilen, es zu bereichern und
ein Stück Heimat mitzubringen (u.a. Salami :-).
Wir freuen uns schon auf das weitere neue Jahr in Haiti und hoffen wieder sehr
viele Besucher willkommen heißen zu können!
Zugleich ist es ein
Jahr HABITAT-HT
Ein Jahr Bauprojekt HABITAT-HT war gefüllt von
unbeschreiblich viel Arbeit, doch im Rückblick können wir auch gerade deshalb
die vielen Erfolge verzeichnen, die wir in so kurzer Zeit bewirken durften. Die
Einrichtung eines Büros, inklusive Anlernung der Sekretärin, über die
Anschaffung des nötigen Fuhrparks sowie der notwendigen Maschinen und
Baumaterialien, bis hin zum Kontakte knüpfen zu den großen Baumärkten in Haiti
mit ihren Zwischenhändlern vor Ort. Zudem wurde das Bauteam angestellt,
mehrmals modifiziert, erweitert und dessen Weiterbildung und Spezialisierung
gewährleistet.
4 komplette Spendenhäuser haben unsere treuen Unterstützer
ermöglicht, eine weitere Dachsanierung ist momentan in Konstruktion und wird
wohl noch vor dem nächsten Zyklon fertig. Gleichzeitig durften wir mehrere Schreiner- und kommerzielle Bauaufträge
realisieren. Die Ingenieure von
HABITAT-HT haben desweiteren unzählige Angebote
ausgearbeitet, doch auch auf Haiti lebt man in einer harten Geschäftswelt, in der man
Absagen wegstecken lernen muss, doch es stehen ebenso noch einige Angebote aus
und wir sind zuversichtlich weitere Bauaufträge zu erhalten. Für den
kommerziellen Zweig konnten wir die korrekte Existenzgründung einer haitianischen Baufirma
nun endlichabzuschließen -die
Bürokratie ist in Haiti noch komplizierter als in Deutschland.
Es freut mich von Herzen zu sehen, was ein regelmäßiges
Gehalt innerhalb der Familien unserer Bauarbeiter bewirkt: ALLE Kinder gehen
zur Schule und einige wechseln nun sogar auf bessere Schulen, die dementsprechend
teurer sind. In 1 Familie konnte eine schon lange notwenige LeistenOP
durchgeführt werden, die Angehörigen essen regelmäßig und ausgewogener. Als
Frau besuche ich gerne die Frauen der Mitarbeiter zu Hause und erlebe, wie viel
Hoffnung und Freude HABITAT-HT in diesem Sinne „indirekt“ vermittelt. „Hilfe
zur Selbsthilfe“ ist ein Slogan, der in Mode und somit in aller Munde ist. Die
Realisierung dessen mag uns oft viel Kraft kosten, da sich HABITAT-HT mit den
haitianischen Begebenheiten, Traditionen und ganz eigenen kulturellen Idealen
auseinandersetzen muss. So wissen wir unsere Kooperation der Leiter, der
unterschiedlichen Kulturen, Bildungstandards und Arbeitserfahrungen umso mehr
zu schätzen, die stets fruchtbar endet und sehr wertschätzend gelebt wird.
Für das zweite Jahr HABITAT-HT wünschen wir uns, den
Spendenzweig weiterhin auszubauen und parallel auf dem Bausektor in Haiti Fuß
zu fassen, um eine langfristige Autonomie zu gewährleisten.
Ein ganz besonderes Dankeschön an all unsere Unterstützer,
ohne die all dies nicht möglich wäre!
Möge auch das weitere Jahr seine Frucht bringen – zum Wohle
Haitis!
- Wir hoffen ganz viele von Euch nun in ein paar Tagen persönlich zu sehen und uns mit Euch auszutauschen! -
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